Sonntag, 19. Oktober 2014
FLIEGEN - Dritter Teil: Der nicht ganz runde Abschluss!
Im Gegensatz zu den anderen Räumen, die uns eine wahre Farbenpracht bescherten, ist der letzte Raum nun komplett in weiß gehalten mit Ausnahme von drei dunkelblauen Einbuchtungen in der Wand. Die Frage ist nun: Versucht er uns durch sein Schlichtheit zu beeindrucken... oder vielleicht gerade nicht?
Es wird nicht ganz klar.
Aber auf alle Fälle kann die Besucherin, die bis jetzt nur Texte konsumieren und beeindruckt Farben betrachten durfte nun endlich interagieren! Da sind kleine Schubladen zum Öffnen und Deckel zum hochklappen und Knöpfe zum drücken und Mikroskope zum ausprobieren und Räder zum drehen und Dinge zum durchsehen... eine wahres Paradies also für Groß und Klein!
Und dann kommt sie, die Erkenntnis: Es geht in diesem Raum um die Erforschung der Fliegen. Es geht um die Wissenschaftlichkeit bei der Betrachtung von Fliegen. Es geht um fundierte Fakten über Fliegen. Und diese museale Forschung wird in den Vordergrund gestellt und deshalb MUSS dieser Raum weiß sein, denn er ist eine Art von Labor in dem Untersuchungen über Fliegen angestellt und von den Besucherinnen selbst interaktiv durchgeführt werden.

In den anderen Ausstellungsbereichen wurden wir geleitet und in die Themen auf unterschiedliche Weise eingestimmt. Die wahnsinnig interessierte Museumsbesucherin ackert sich diesmal jedoch durch den Raum und muss sich ihn nach und nach erschließen. Vielleicht ist es so gewollt, so wie es in der Wissenschaft oft der Fall ist. Man sieht das Ziel vor lauter Ergebnissen nicht und muss dennoch immer weiter gehen.
Und trotzdem funktioniert es für mich nicht, das Konzept ist nicht ganz rund. Erschwerend kommt hinzu, dass im Eingangsbereich zu diesem letzten Raum auf einem großen Stoffflügel, der als ein optisch ansprechendes Abgrenzungselement dient, die Worte: „Dreizehn Geschichten“ prangert. Und als ob die Kuratoren nur vergessen hätten noch eine Texttafel aufzuhängen, wird nicht deutlich wo diese Geschichten sind und wo sie anfangen und warum es dreizehn sein müssen und warum Geschichten und überhaupt? Die Ausstellung holt uns nicht ab und verwirrt sogar durch seine fehlende Führung und durch den extremen Bruch im farblichen, inhaltlichen und räumlichen Konzept.

Nicht ohne Grund nenne ich mich Museumskritikerin, wenn ich das nicht auch tun würde. Mein Fazit für diese Ausstellung ist positiv und sogar empfehlenswert, jedoch mit einem nicht unerheblichen Dämpfer zum Schluss der Ausstellung, der mich zwar zum Nachdenken anregt, was richtig gute Ausstellung machen sollen, jedoch mit einer Spur an zu viel Ärger und einem zu wenig an Begeisterung.



Montag, 6. Oktober 2014
FLIEGEN – Zweiter Teil: Vorsicht Inhalt!
Inhaltlich setzt die Ausstellung auf eine weiche Informationskurve. Abgeholt werden wir, als Besucher und Besucherinnen, auf rein emotionaler Ebene und verbleiben in genau der Perspektive, die uns bekannt: in der Position hinter den Fliegengittern mit Blick auf das Ungeziefer.

Dieser Blickwinkel wird jedoch im ersten Raum sofort gebrochen. Als ein Art Fotoshooting hängen kunstvolle Fotografien von Fliegen in hundertfacher Vergrößerung in einem sonst schwarzen Raum. Die Fliegen werden auf die Wahrnehmungsebene der Menschen gehoben, werden groß, werden bedeutsam, werden interessant. Nach links gerichtet, betreten wir den Raum der Heilung. Einzige Informationsquellen sind ein stimmloses Video, ein toter Kadaver hinter einen Glasscheibe, der von Maden vertilgt wird, eine Auffangschale aus dem Lazarett und eine Texttafel, die die Reinigungskraft der Insekten beschreibt. Erst im dritten Raum werden wir von Informationsbanner, die über Krankenbetten gespannt wurden, mit vergleichsweise vielen Informationen versorgt. Da wir aber – erholt aus den anderen Räumen kommend – schon darauf warten, dass es endlich losgeht, saugen wir dankbar das Wissen auf. Helfen tut uns dabei die Nähe des Wissen: Ist uns doch bekannt, dass Fliegen Krankheitsüberträger sind. Wir werden also auf den darauf folgenden Raum – der vollgestopft sein wird mit Informationen und Medien jeglicher Art – vorbereitet, indem wir Wissen, dass wir schon haben, noch einmal auf anspruchsvolle Weise mitgeteilt bekommen. Quasi die Aufwärmphase vor dem Startschuss.

Und dennoch: es trifft einen trotz der ganzen Vorbereitung die volle Wucht des Wissens wie ein Schlag. Als ob den Ausstellungsmacher erst jetzt bewusst geworden wäre, dass sie nur noch einen Raum für ihre ganzen wichtigen und zentralen Infos über Fliegen zur Verfügung haben, stopfen Sie diesen bis unter die Decke damit zu. Er ist daher auch wie ein ewiger Rundgang angelegt, damit man immer und immer wieder entlang gehen kann an den Exponaten. Denn ein Gang reicht bei Weitem nicht... genau so wenig wie ein Beitrag.

Fortsetzung folgt...



Mittwoch, 1. Oktober 2014
FLIEGEN – Erster Teil: Der erste Eindruck zählt!
Das Museum für Naturkunde in Berlin hat mit einer sehr intensiven Werbekampagne und schon fast an Penetranz grenzender Zielstrebigkeit in sämtlichen sozialen Netzwerken für die neue Sonderausstellung „Fliegen“ geworben. Der Aufhänger, dass über solche Tiere doch nun wirklich niemand etwas wissen möchte. Und dennoch, wie durch ein Wunder, war die Ausstellung fast schon überfüllt und ist es wohl auch noch. Dazu ist zu sagen, dass das Museum für Naturkunde in Berlin bereits einen fabelhaften Ruf und somit festen Platz in der Familienwochenendplanung eingenommen hat.

So war nun auch ich dort, höchstwahrscheinlich aus genau dem Grund, aus dem alle anderen da waren: aus dem Resultat einer paradoxen Werbekampagne. Mein allgemeines Urteil fällt zunehmend positiv aus. Moderne Ausstellung haben zuweilen verstanden, dass alles über die Augen – und somit über die Gestaltung – funktioniert. Der erste Eindruck zählt! Man könnte die Gestaltung der Ausstellung mit gutem Gewissen als stylisch bezeichnen. Jede Ausstellungseinheit hatte seine eigene intensive knallige Farbe und Raumgestaltung. Kombiniert mit synästhetischen Elementen – wie den Textbannern über den Krankenbetten, dem Fliegenhort im Eingang und den riesigen Stoff-Fliegen-Flügeln als Abgrenzungselemente – und das Museum schafft eine spannende Atmosphäre. Bei der ständigen farblichen und innenarchitektonischen Beschallung, könnte man fasst eines vergessen: Inhalt...

… Tu ich auch nicht! Und wird auch nicht getan. Gegen alle museale Kritik, man dürfe im Erlebnismuseum nicht das Erlebnis über das Wissen stellen, funktioniert es eben genau so, wie in der Fliegenausstellung. Nur wenn du erlebst und Spaß hast, dann hast du auch Lust auf Wissen und das ist weiß Gott nicht nur bei Kindern so. Erwachsene funktionieren ganz genauso. Sie geben es nur so ungern zu.